Zusammenhalt aus Verantwortung seit 75 Jahren

19.08.2020

Von Paul Ziemiak, Generalsekretär der CDU Deutschlands

Wenn wir unsere christdemokratische Geschichte betrachten, kehren wir auch an die Stätten des Geschehenen und Erreichten zurück. Manchmal ist es eine Rückkehr in Gedanken, vor unserem geistigen Auge, manchmal sind wir wirklich zu Besuch in der Vergangenheit und treten ein. Gerade Nordrhein-Westfalen ist reich an solchen Erinnerungsorten. Ich denke an Rhöndorf mit dem Haus von Konrad Adenauer und das Düsseldorfer Ständehaus, wo die wirtschaftspolitischen Leitsätze formuliert wurden; ich denke an das Apollo-Theater in Siegen, den Gründungsort des Evangelischen Arbeitskreises, und natürlich an das Konrad- Adenauer-Haus in Bonn, die Bundesgeschäftsstelle als sichtbares Zeichen der Modernisierung in den siebziger Jahren. Und ich denke an die Grugahalle in Essen, die gleich zweimal Historisches erlebt hat. Dort war unser 33. Bundesparteitag 1985, dessen frauenpolitischen Leitsätze Helmut Kohl „zu den wichtigsten programmatischen Errungenschaften in der Geschichte der Partei“ zählte. Und dort war, 15 Jahre später, ein zweiter, ebenso unvergessener Parteitag, jener, auf dem die Christlich Demokratische Union Deutschlands Angela Merkel zur Vorsitzenden gewählt hat.

All diese Orte und viele andere zeigen uns, woher wir als Union kommen und wie wir dorthin gelangt sind, wo wir heute stehen. Diese Orte sind zugleich deutsche Wegmarken. Denn die Geschichte der CDU ist eng verbunden mit der Geschichte unseres Landes. Unser Anspruch als CDU darf es jedoch nicht allein sein, historische Orte zu bewahren, die uns etwas bedeuten, und die Erinnerung an sie zu pflegen. Wir müssen stets danach streben, neue Orte der Erinnerung zu erschaffen; Orte, die eines Tages unsere Kinder und Enkel besuchen, um zu sehen, zu hören und zu spüren: Hier hat die CDU wieder einmal Zukunft gestaltet. Hier hat sie Geschichte geschrieben. Hier ist christdemokratischen Frauen und Männern etwas Außergewöhnliches, etwas Entscheidendes gelungen.

Nach unserem Selbstverständnis sind wir die politische Gestaltungskraft. Unser Handeln ist nie Selbstzweck. Vielmehr nehmen wir Veränderungen wahr und Herausforderungen an. Das bedeutet: Wir sind programmatisch auf der Höhe der Zeit und entwerfen eine Perspektive für unser Land. Dies war und das ist unser Erfolgsrezept. Gerade jetzt – inmitten einer historischen Krise, die noch lange nicht überstanden ist – sind wir gefordert. Denn wenn es drauf ankam, war auf die CDU immer Verlass. CDU hieß immer und heißt bis heute: Wir meistern Krisen und gestalten die Zukunft.

Unser Land braucht in diesen Tagen und Wochen Sicherheit und Zuversicht. Jede Familie. Jede Kommune. Jedes Unternehmen.  Junge und alte Menschen. Diese Sicherheit und diese Zuversicht zu stärken – das ist unsere Aufgabe jetzt. Und das tun wir mit einer Politik, die sich nicht wegduckt, sondern anpackt und verantwortungsvoll entscheidet. Wir haben die Verantwortung, und wir übernehmen die Verantwortung – auch und erst recht in schwierigen Zeiten. Und das tun wir mit einem umfangreichen Konjunktur- und Zukunftspaket. Es ist ein echtes Kraftpaket für Deutschland in seiner ganzen Breite und Vielfalt. Wir wollen Investitionen in Zukunftstechnologien und in Klimaschutz. Zugleich kämpfen wir für den Erhalt von Arbeitsplätzen in der Industrie. Genau das verstehen wir unter Zusammenhalt aus Verantwortung.

Denn zu uns gehört auch immer die christdemokratische Zukunftsperspektive, die an der Seite des Krisenmanagements steht. Wir fragen uns: Wie gelingt Zusammenhalt in zehn, in 20 oder 30 Jahren? Wie bewahren wir unseren Wohlstand? Und deshalb ist für uns auch klar: Wir müssen heute aus dieser Corona- Krise die richtigen Lehren ziehen, damit unser Land morgen besser wird und am Ende des Jahrzehnts stark bleibt.

Wir sind die Partei des UND – das ist das U in CDU. Wir haben den Anspruch an uns selbst, alles abzudecken, die ganze Gesellschaft in ihrer Vielfalt und Einzigartigkeit. Wir nennen es Zusammenhalt aus Verantwortung. Dieses Ziel einte Christdemokratinnen und Christdemokraten schon vor 75 Jahren. Sie zogen die Lehre aus dem Scheitern der Weimarer Republik und dem Menschheitsverbrechen des Nationalsozialismus. Sie waren bereit, das Trennende hinter sich zu lassen und einander die Hand zu reichen: Katholiken, Protestanten und Juden genauso wie Konfessionslose, Frauen und Männer, Arbeitnehmer und Arbeitgeber, Vertreter der Wirtschaft und der Gewerkschaften. Ihre politische Heimat wurde die Christlich Demokratische Union.

Bei uns in Nordrhein-Westfalen prägten zwei ganz besondere Christdemokraten die Anfänge der Partei mit: Da war Konrad Adenauer, der erste Bundeskanzler und erste Vorsitzende unserer Partei. Und da war Karl Arnold, der erste Ministerpräsident des Landes. Rheinischer Verwaltungsjurist aus bürgerlichem Hause der eine, schwäbischer Gewerkschafter aus einfachen Verhältnissen der andere: Ja, Konrad Adenauer und Karl Arnold stammten aus verschiedenen Lebenswelten. Jeder von ihnen hatte eigene politische Vorstellungen, eine eigene visionäre Kraft; jeder von ihnen war damit seiner Zeit oft genug voraus. Und doch waren sie beide, der eine wie der andere, Christdemokraten aus Fleisch und Blut. Bis heute verehren wir sie.

Und auch über die folgenden Jahrzehnte haben immer wieder Christdemokratinnen und Christdemokraten aus NRW unser Land und unsere Partei geprägt. Die großen Namen vieler Frauen und Männer von Rhein und Ruhr stehen unauslöschlich in den Geschichtsbüchern. Deshalb bin ich stolz darauf, diesem starken Landesverband anzugehören. Ich bin aber auch deshalb stolz, weil ich sehe: Die Union hier in NRW weiß um ihre Verdienste – und sie strebt stets nach neuen Verdiensten. Sie kennt ihre Geschichte – und sie will sie weitererzählen. Sie hat erfolgreiche Frauen und Männer hervorgebracht – und sie hat dies auch weiter vor.

Ich weiß: Die CDU NRW hat den Mut und die Neugier, die es dafür braucht. Wir gemeinsam haben den Mut und die Neugier! Mut bedeutet für mich: Wir wagen Neues, schwimmen auch mal gegen den Strom, sind unbequem und bereit, das Unerwartete zu tun. Und genauso brauchen wir die Neugier. Neugier ist zuallererst ein fester Glauben daran, dass es eine Zukunft gibt, die besser ist als der Status Quo. Wir müssen sie nur finden. Und dann auch einlösen, was sie verspricht.

So war es vor 75 Jahren, als die Kölner Leitsätze formuliert wurden. Damals im Juni 1945 waren die Herausforderungen ganz andere als heute, aber die christdemokratische Zukunftsperspektive bereits absolut klar: „Ein freies Volk soll wiedererstehen, dessen Grundgesetz die Achtung menschlicher Würde ist. Ein neues Deutschland soll geschaffen werden, das auf Recht und Frieden gegründet ist.“

Bis heute stehen wir Christdemokraten für eine Politik, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt. Das ist unser christliches Menschenbild. Das ist das C in unserem Namen. Und dieses C ist so viel mehr als ein Buchstabe. Es steht dafür, Menschen nicht zu kategorisieren, nicht zu beurteilen, nicht zu bewerten. Wir sehen immer den einzelnen Menschen und machen Politik für alle Menschen. Denn so entsteht Zusammenhalt, so können wir gemeinsam in Freiheit, Solidarität und Gerechtigkeit leben.

Ob Zusammenhalt gelingt, entscheidet sich zuallererst in den Städten und Gemeinden. Dafür braucht es Frauen und Männer, die vor Ort Verantwortung übernehmen wollen. Bei der Kommunalwahl am 13. September werden sich auch Mitglieder der CDU darum bewerben, diese Verantwortung übernehmen zu dürfen. Wir werden gemeinsam für ein gutes Ergebnis kämpfen. Und ich bin überzeugt: Wenn wir mit voller Kraft und Überzeugung unsere Kandidatinnen und Kandidaten unterstützten, dann werden wir erfolgreich abschneiden und auch in Zukunft für eine verantwortungsvolle Politik vor Ort sorgen.

Zusammenhalt aus Verantwortung – darum ging es uns vor 75 Jahren, darum geht es uns heute, darum geht es uns auch in Zukunft. Darum geht es uns im Bund, in den Ländern, den Städten und Gemeinden. Und diesen Anspruch müssen wir einlösen, wenn wir als Volkspartei in Zukunft erfolgreich sein wollen.